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Literatur : [ Aluminium | Korrosion/Beschichtung | Bearbeitung/Umformung | Mobilität | Motor/ Antrieb ]

Interkristalline Korrosion und Spannungsrisskorrosion von Al-Mg-Si-Cu-Drähten


Christian Schnatterer: Interkristalline Korrosion und Spannungsrisskorrosion von Al-Mg-Si-Cu-Drähten, Shaker Verlag Aachen 2018 (Schriftenreihe des Lehrstuhls für Korrosion und Korrosionsschutz)

Die Arbeit entstand aus dem Anlass heraus, dass es sich bei der Aluminiumlegierung EN AW 6056 um eine der bedeutendsten Legierungen für die Herstellung von Aluminiumschrauben für den Automobilbau handelt. Bis zur Herausgabe der Arbeit stellt sie den geeignetsten Kompromiss aus Umformbarkeit, Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit dar. Nachteilig ist, dass trotz der generell als hoch eingeschätzten Beständigkeit von Al-Mg-Si(-Cu)-Legierungen gegen lokale Korrosion diese Wertstoffklasse besonders im ausgehärteten Zustand anfällig für selektive Korrosion, wie zum Beispiel interkristalline Korrosion (IK) ist. Sämtliche mikrostrukturellen Vorgänge, die während der Aushärtung ablaufen und eine IK-Anfälligkeit bewirken, müssen noch erforscht werden, gerade weil heute zahlreiche, teilweise widersprüchliche Modellvorstellungen zur Beschreibung der ablaufenden Mechanismen existieren. Im Automobil werden Schrauben aus EN AW 6056 im T6-Zustand, also bei maximaler Festigkeit, eingesetzt. Eine große Herausforderung stellt es zum aktuellen Zeitpunkt dar, die selektive Korrosion ohne und mit mechanischer Beanspruchung für diesen Einsatz zu beherrschen.

Herausforderungen: thermische Belastungen in Folge der Abwärme des Motors sowie der Abgasanlage

Der Werkstoff im Automobil ist nicht nur korrosiven, sondern auch thermischen Belastungen in Folge der Abwärme des Motors sowie der Abgasanlage ausgesetzt. Die Temperaturbelastung von Aluminiumlegierungen durch Betriebswärme während eines Autolebens wird durch Langzeitwärmebehandlungen simuliert. Je nach Automobilhersteller werden solche Tests zwischen 120 Grad Celsius und 150 Grad Celsius für 1000 h (ca. 42 Tage) durchgeführt. Der Einfluss von derartigen Wärmebehandlungen auf das Korrosionsverhalten von Al-Mg-Si(-Cu)-Legierungen wird bis heute kontrovers diskutiert.

Hintergrund

Vor dem Hintergrund des Einsatzes als Schraube zielten die in der hier vorliegenden Arbeit vorgestellten Untersuchungen auf die Aufklärung der Mechanismen der interkristallinen Korrosion der EN AW 6056 im T6-Zustand. Der Werkstoff wurde dabei in Form von Draht untersucht, der das Halbzeug für die Schraubenherstellung darstellt. Der lösungsgeglühte und kaltausgelagerte T4-Zustand wurde einer vergleichenden Analyse unterzogen. Dieser besitzt zwar aufgrund seiner geringen Festigkeit keine technische Relevanz, kann aber wegen seines stark abweichenden Korrosionsverhaltens für ein möglichst vollständiges Werkstoffverständnis als Referenz herangezogen werden. Der Einfluss betriebsbedingter Wärmebelastung auf das Korrosionsverhalten des T4- und T6-behandelten Materials wurde bei 135 Grad Celsius für bis zu 42 Tage ebenfalls untersucht. Damit wurden im Rahmen dieser Arbeit erstmalig umfassende Untersuchungen zur Aufklärung der Korrosionsmechanismen an Drähten der Legierung EN AW 6056 in NaCI-haltigen Elektrolyten in Abhängigkeit breit variierter Wärmebehandlungszustände durchgeführt.

Kontroversen aufgrund der Diskussion rund um Spannungsrisskorrosion von AI-Mg-Si(-Cu)-Legierungen und die zugrundeliegenden Mechanismen

Hintergrund für eine wichtige, aber kontroverse Diskussion innerhalb des genannten Themenbereichs sind die Spannungsrisskorrosion von AI-Mg-Si(-Cu)-Legierungen und die zugrundeliegenden Mechanismen. Zusätzlich zur lokalen Korrosion ohne mechanische Belastung wurden für die T4- und T6-Zustände die Anfälligkeit für Spannungsrisskorrosion (SpRK) analysiert, die in Folge simultaner mechanischer und korrosiver Belastung auftreten kann und deren Verständnis für Schraubverbindungen hohe Relevanz besitzt. Durchgeführt wurde die Untersuchung der Korrosionseigenschaften mittels zyklischer Polarisation, Tauchtests und Langsamzugversuchen in NaCI-haltigen Elektrolyten. Die für die Analyse der lokalen Korrosionsmechanismen notwendige Mikrostrukturanalyse umfasste unter anderem dynamische Differenzkalorimetrie, Transmissionselektronenmikroskopie, Atomsondentomographie sowie synchrotronbasierte Röntgenfluoreszenzspektroskopie. Die mechanischen Eigenschaften in Abhängigkeit der Wärmebehandlung wurden mittels Härteprüfungen ermittelt.

Ergebnisse

Am Ende der Untersuchungen zeigte sich, dass der T4-Zustand aufgrund der Abwesenheit von Sekundärphasen die geringste Festigkeit aufwies. So zeigte er sich zwar beständig gegen interkristalline Korrosion (IK), ließ aber eine Anfälligkeit für Lochkorrosion erkennen. Diese konnte durch mikrogalvanische Kopplung insbesondere zwischen groben, kathodischen Alpha-Al(FeMn)Si-Phasen und der umgebenden Aluminiummatrix erklärt werden.

Im Zustand maximaler Festigkeit (T6) war die Mikrostruktur im Korninnern durch feine und dicht ausgeschiedene ß"-Phasen charakterisiert. Die Korngrenze wies eine etwa 60 nm breite ausscheidungsfreie Zone auf, die an Magnesium, Silizium und Kupfer verarmt vorlag. Aufgrund der Verarmung der gegenüber Aluminium edleren Legierungselemente Si und Cu ist diese Zone anodisch gegenüber der angrenzenden Matrix und löst sich bei Anwesenheit eines Elektrolyten bevorzugt auf. Sowohl für den T4- als auch den T6-Zustand wurde in neutraler und angesäuerter 3,5%-iger NaCI-Lösung eine hohe Beständigkeit gegenüber Spannungsrisskorrosion gefunden. Dies wurde primär auf eine hohe Resistenz gegen Wasserstoffversprödung zurückgeführt.

Letztendlich untersucht und erforscht die Arbeit den Einfluss der Wärmebehandlungen auf die Härte, den Einfluss der Wärmebehandlungen auf die Mikrostruktur, den Einfluss der technischen Wärmebehandlungen auf lokale Korrosionsmechanismen ohne mechanische Beanspruchung, den Einfluss der simulierten Betriebswärme auf lokale Korrosionsmechanismen ohne mechanische Beanspruchung sowie den Einfluss der technischen Wärmebehandlungen auf die Mechanismen der Spannungsrisskorrosion.

Diskussion

Zur Diskussion stehen der Einfluss der Wärmebehandlungen auf die Mikrostruktur, der Einfluss der Wärmebehandlung auf die Härte, elektrochemische Kennwerte, Mechanismen der Lochkorrosion, Mechanismen der interkristallinen Korrosion sowie der Spannungsrisskorrosion (SpRK).

Einfluss der Wärmebehandlungen auf die Härte

Bei den Untersuchungen zum Einfluss der Wärmebehandlungen auf die Härte beispielsweise wurde zusätzlich zu den Ausgangswärmebehandlungen T4 und T6 der Einfluss der simulierten Betriebswärme bei 135 Grad Celsius für bis zu 42 Tage auf die Härte untersucht. Dies hatte den Grund, dass insbesondere die Temperaturbeständigkeit sowie das Überalterungsverhalten der Legierung EN AW 6056 vor dem Hintergrund des Einsatzes als Schraube analysiert werden. Hier ist festzustellen, dass bei beiden Materialien eine Überalterung eintritt, welche für das T6-Material bereits nach Überschreiten der ersten 48 Stunden und für das T4-Material nach 21 Tagen festgestellt werden konnte. Die Reduzierung der Härte mit zunehmender Auslagerungsdauer bei 135 Grad Celsius ist dabei charakteristisch für Überalterung.

Nach 18-tägiger Auslagerung der Materialien war die erste Überschneidung der beiden Härtekurven der ursprünglichen T4- und T6-Zustände erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das T6-wärmebehandelte Material schon in einem fortgeschrittenen Überalterungszustand, während das T4-behandelte Material tendenziell erst kurz vor Erreichen der maximalen Aushärtung stand. Die maximale Festigkeit der ursprünglich T4-behandelten Probe nach 21-tägiger Auslagerung entspricht in etwa der Festigkeit des ursprünglicheren T6-Zustands. Diese Beobachtung legt nahe, dass eine Korrelation mit den Diffusionsgeschwindigkeiten von Mg und Si in Aluminium besteht, die bei 172 Grad Celsius ca. 21-mal höher sind als bei 135 Grad Celsius. Insgesamt ist der Grad der Neigung zur Überalterung der genannten Legierung auf dieser Temperaturstufe als vergleichsweise gering einzustufen. Für niedrigere Auslagerungstemperaturen, zwischen 120 und 165 Grad Celsius, ist die Überalterungsbeständigkeit der Legierung EN AW 6056 insbesondere gegenüber den höherfesten 7000er Legierungen als hoch einzustufen.

Spannungsrisskorrosion

Was über die Legierung EN AW 6056 noch zu sagen ist, ist, dass sie selbst im IK-anfälligen T6-Zustand keine Anfälligkeit für Spannungsrisskorrosion aufzeigt. Dies ist gleichzeitig eine der zentralen Aussagen, die aus den Experimenten abgeleitet werden können. Diskutiert wird der Mechanismus der anodischen Auflösung für 7000er Legierungen, der im Wesentlichen auf dem Rissfortschritt durch interkristalline Korrosion beruht. Er ist für die untersuchte Legierung unter den betrachteten Prüfbedingungen nicht zutreffend. Darüber hinaus verdeutlichen die Beständigkeit der Legierung unter kathodischer Polarisation sowie die sogar in unmittelbarer Nähe von Korrosionsangriffen durch duktiles Versagen erzeugten Bruchflächen die Resistenz des Materials gegen Wasserstoffversprödung. Für den Einsatz als Schraube folgt daraus, dass selbst für einen im Betrieb auftretenden lokalen Korrosionsangriff der Verbindungselemente nicht mit einem schlagartigen Versagen durch Spannungsrisskorrosion zu rechnen ist.

Zusammenfassung und Fazit

Folgende zentrale Erkenntnisse lassen sich zusammenfassen (siehe auch die in Kapitel 3 formulierte Zielstellung):

Einfluss der technischen Wärmebehandlung und simulierten Betriebswärme auf die Korngröße sowie die Mikrostruktur im Korninnern und der Korngrenze

Die T6-Behandlung bei 172 Grad Celsius und auch die Langzeitwärmebehandlungen bei 135 Grad Celsius bewirken keine Veränderung der Korngröße. Nach 42-tägiger Auslagerung des T6-Ausgangszustands bei 135 Grad Celsius sind in den Körnern vergröberte ß'- und Q'-Phasen ausgeschieden. Die ausscheidungsfreie Zone an den Korngrenzen liegt unverändert vor. Alle Wärmebehandlungszustände weisen Q-Phasen an den Korngrenzen auf.

Einfluss der technischen Wärmebehandlung und simulierten Betriebswärme auf die Härte

Das T4-wärmebehandelte Material zeichnet sich dadurch aus, dass es aufgrund der Abwesenheit von Sekundärphasen die geringste Härte besitzt. Insgesamt ist die Überalterungsneigung der Legierung bei 135 Grad Celsius als gering einzustufen.

Elektrochemisches Verhalten in Abhängigkeit der technischen Wärmebehandlung

Das T4-wärmebehandelte Material verhält sich edler als das warmausgelagerte Material. Mittels zyklischer Polarisation konnte verglichen mit dem T4-behandelten Material eine höhere Anfälligkeit des T6-Zustands für lokale Korrosion in neutraler 3,5 Gew.-prozentiger NaCI-Lösung nachgewiesen werden.

Mechanismen der Lochkorrosion (LK)

Hier ist zu sagen, dass ausschließlich das lösungsgeglühte und kaltausgelagerte Material (T4) eine Anfälligkeit für lochförmige Korrosion in wässriger NaCI-Lösung bei einem pH-Wert von 1 zeigte. Diese wurde auf mikrogalvanische Kopplung insbesondere zwischen groben, kathodischen Alpha-AI(FeMn)Si-Phasen und der umgebenden Aluminiummatrix zurückgeführt.

Mechanismen der interkristallinen Korrosion (IK)

Die hohe IK-Anfälligkeit des warmausgelagerten Materials wird auf mikrogalvanische Kopplung zwischen der an Mg, Si und Cu verarmten ausscheidungsfreien Zone an der Korngrenze und der umgebenden Matrix zurückgeführt, die sich aufgrund der Si- und Cu-Verarmung anodisch gegenüber der Matrix verhält. Die Anfälligkeit des Materials und die zugrundeliegenden Mechanismen verbleiben während der Auslagerung bei 135 Grad Celsius für bis zu 42 Tage unverändert.

Mechanismen der Spannungsrisskorrosion

Es ist festzustellen, dass beide, also T4- und T6-wärmebehandeltes Material, in neutraler und angesäuerter 3,5 prozentiger NACI-Lösung eine hohe Beständigkeit gegenüber Spannungsrisskorrosion aufweist. Dieses Ergebnis lässt sich mit einer hohen Resistenz gegen Wasserstoffversprödung erklären.

Fazit

Unter anderem ist zu sagen, dass die generell als gering eingestufte Anfälligkeit der 6000er Legierungen für Spannungsrisskorrosion in NaCI-haltigen Elektrolyten auch für die Legierung EN AW 6056 in den Wärmebehandlungszuständen T4 und T6 bestätigt werden kann.

Für den Einsatz als Schraube im Automobil stellt sich also folglich heraus, dass Korrosionsschutzbeschichtungen in Bereichen mit Spritzwasserexposition zur Verhinderung von Korrosionsschäden durch interkristalline Korrosion notwendig sind. Das Risiko eines schlagartigen Versagens der Verbindungselemente im Korrosionsfall durch Spannungsrisskorrosion ist zudem als äußerst gering einzustufen.

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