Neu hier?

Dann möchten wir Ihnen kurz auf unserer Tour zeigen, wie Sie bei unserem Portal rund um das Thema Engineering mitmachen können und wie sie davon profitieren.

Hier geht's zur Tour!

Literatur : [ Aluminium | Verschiedenes | Fertigung/ Prozesse ]

Korrelation zwischen FE-Analyse und Versuch beim Lebensdauernachweis geschweißter Aluminiumbauteile


Jan Rothe: Korrelation zwischen FE-Analyse und Versuch beim Lebensdauernachweis geschweißter Aluminiumbauteile, Shaker Verlag, Aachen 2006 (Reihe Berichte aus dem Bauwesen)

Ausgangslage

Der Nachweis der Lebensdauer geschweißter Aluminiumstrukturen basiert in erster Linie auf der Bauteilanalyse nach Nennspannungen. Diese Vorgehensweise wird primär für stabförmige Tragwerke verwendet, für die eine reproduzierbare Spannungsanalyse mit analytischen Berechnungsvorschriften möglich ist. Das Ermüdungsverhalten unter zyklischer Beanspruchung wird in den Normen und Berechnungsvorschriften für verschiedene Kerbdetails in Form von Wöhlerkurven charakterisiert und dargestellt. Die Lebensdauer des Kerbdetails wird in Abhängigkeit von der am schwingbruchkritischen Ort berechneten Nennspannungsdifferenz aufgetragen und gilt für ein bestimmtes Spannungsverhältnis. Die tatsächlich wirksame Spannung sowie alle weiteren Einflüsse auf die Lebensdauer sind implizit in den statistisch abgesicherten Bauteilversuchen enthalten.

Im Folgenden werden dementsprechend moderne Konstruktionen untersucht. Diese sind meist keine schlanken Stabtragwerke im Sinne der klassischen Bauweise. Sie werden als Flächentragwerke oder als voluminöse Bauteile konzipiert. Die Tendenz zu dreidimensionalen komplexeren Tragstrukturen wird durch die vielfältigen Möglichkeiten, die heutige Konstruktions- und Berechnungsprogramme bieten, unterstützt. In Abhängigkeit von der Netzfeinheit und dem Elementtyp berechnen sich in der Nähe von Schweißnähten unterschiedliche geometrisch bedingte Lokalspannungen. Zusätzlich überlagern sich schweißbedingte Eigenspannungen den Spannungen aus der äußeren Belastung. Die beim Schweißen in das Bauteil eingebrachte Wärme führt für aushärtbare Aluminiumlegierungen zu einer ungewollten lokalen Wärmebehandlung des Grundmaterials, welche die ursprünglichen gesteigerten Materialfestigkeiten wieder herabsetzt. Deshalb wird das tatsächliche lokale Bauteilverhalten abweichend von der linear-elastischen Betrachtungsweise von frühzeitigen lokalen Plastizierungen geprägt.

Gegenstand der Arbeit

Gegenstand der Arbeit sind die experimentelle und die numerische Untersuchung dieser Zusammenhänge sowie deren Auswirkung auf das Ermüdungsverhalten. Es werden Konzepte untersucht, wie eine zuverlässige Lebensdaueranalyse basierend auf numerisch berechneten Strukturspannungen gewährleistet werden kann und welche Grenzen dabei auftreten.

Problematik und Zielsetzung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung von Konzepten, wie die Beanspruchungen in geschweißten Aluminiumbauteilen realistisch bestimmt werden können. Es besteht die Möglichkeit, die Spannungen beziehungsweise Dehnungen entweder mit Dehnmessstreifen (DMS) direkt am Bauteil zu messen. Es besteht überdies die Option, diese Spannungen bereits in der Entwicklungsphase des Produktes zu berechnen. Diese Berechnungen werden heute nicht mehr ausschließlich mit analytischen Methoden durchgeführt. Numerische Berechnungsverfahren wie die Finite-Elemente-Methode (FEM) sind leistungsfähige Werkzeuge, die für eine Untersuchung komplexer Problemstellungen unabdingbar geworden sind. Insbesondere dreidimensionale Schalentragwerke und voluminöse, dickwandige Bauteile können mit Hilfe numerischer Berechnungsmethoden vorteilhaft untersucht werden. Die Messungen und die Berechnungen verfolgen das Ziel, das tatsächliche Bauteilverhalten zuverlässig vorherzusagen.

Spannungen, Tragverhalten sowie Auswirkungen aufs Bauteilverhalten

Die Spannungen dienen dazu, sowohl das Tragverhalten unter der Einwirkung von statischen Beanspruchungen als auch die Lebensdauer unter der Einwirkung von zyklischen Beanspruchungen zu bewerten. Das im Regelfall linear-elastisch ermittelte Spannungsniveau wird unter anderem für die Dimensionierung von Blechdicken und die Auslegung von Schweißnähten herangezogen. Diese Vorgehensweise kann zu einer unrealistischen Vorhersage des Bauteilverhaltens führen, wenn das Spannungsniveau nicht korrekt bestimmt wird und das tatsächliche plastische Materialverhalten unbeachtet bleibt. Ursachen dafür sind schweißbedingte Eigenspannungen und die Entfestigung des Materials in der Wärmeeinflusszone. Auch die Auswirkungen auf das Bauteilverhalten unter statischer sowie zyklischer Beanspruchung, welche prinzipiell verschieden sind, werden untersucht.

Wichtige Erkenntnisse zur Vorhersage der Lebensdauer von einzelnen Bauteilen

Die Vorhersage der Lebensdauer ist in ungestörten Bereichen des Bauteils, in denen das Spannungsniveau meist zuverlässig bestimmt werden kann sowie die Eigenschaften des Grundmaterials vorliegen, vergleichsweise einfach und zuverlässig. Dies gilt, solange eine gleichmäßige Schwingbeanspruchung mit bevorzugter Beanspruchungsrichtung wirksam ist. Die Lebensdauer eines Bauteils unter einer beliebigen Last-Zeit-Einwirkung, welche sich aus mehreren Lastfällen mit unterschiedlichen Belastungsrichtungen zusammensetzt, kann in der Regel nicht zuverlässig vorhergesagt werden und muss stets im Versuch bestätigt werden.

Für den statischen Festigkeitsnachweis haben lokal auftretende plastische Dehnungen in den meisten Fällen keine gravierenden Auswirkungen auf die Tragfähigkeit. Die entfestigte aber duktile WEZ kann durch Plastizierung lokale Spannungsspitzen abbauen. Im Falle einer zyklischen Beanspruchung haben das Spannungsniveau in Verbindung mit den schweißbedingten Eigenspannungen und den Defekten in der Mikrostruktur einen entscheidenden Einfluss auf das Ermüdungsverhalten.

Für die weiteren Untersuchungen dieser Arbeit steht die Zuverlässigkeit einer Spannungserfassung und die Vergleichbarkeit der Berechnungsergebnisse mit Messergebnissen im Vordergrund. Die Möglichkeiten und die Grenzen für eine Lebensdaueranalyse auf der Basis des ermittelten Spannungsniveaus werden eingehend diskutiert. Die Berechnungen dieser Arbeit wurden mit dem FE-Programm ANSYS durchgeführt.

Durchführung

Im zweiten Kapitel zu den Bemessungskonzepten und Hinweisen für den Einsatz der FEM werden

  • Nennspannungen,
  • Strukturspannungen,
  • Hot-Spot-Spannungen,
  • Kerbspannungen und
  • Kerbgrunddehnungen

untersucht sowie Modellierrichtlinien und Konvergenzkriterien für den Einsatz der FEM, unter Einfluss des Elementtyps und der Netzfeinheit, gefunden.

Das dritte Kapitel dreht sich um Materialkenngrößen für die Aluminiumlegierung EN AW-6008 bei Raumtemperatur und bei erhöhten Temperaturen. Kapitel 4 behandelt die Lebensdaueranalyse auf der Basis von Hot-Spot-Spannungen, Kapitel 5 den Einfluss der schweißbedingten Eigenspannungen auf die Lebensdauer. Dabei beweisen zum Beispiel die Untersuchungen am längs verschweißten Strangpressprofil, dass ungeachtet des eingesetzten Schweißverfahrens die Eigenspannungen in Nahtlängsrichtung die Fließspannung des Materials in der WEZ erreichen. Jedoch ist die Verteilung der Eigenspannungen über den Bauteilquerschnitt vom Schweißverfahren abhängig und besitzt nachweislich einen Einfluss auf das Ermüdungsverhalten.

In den Untersuchungen traten außerdem verschiedene Defekte wie Poren und Schweißspritzer auf, von denen die Risse ausgingen. Basierend auf den berechneten Strukturspannungen konnten die Orte der Rissinitiierung nicht eindeutig vorhergesagt werden. Eine DMS-Messung außerhalb der WEZ ist für die mit dem MIG-Verfahren geschweißten Proben im Prinzip nicht möglich, da sich die WEZ über den gesamten Gurtbereich erstreckt. Spannungsumlagerungen und plastisches Materialverhalten treten bei jeder äußeren Belastung auf die Bauteile auf. Für die mit dem Laser-Verfahren geschweißten Profile bleiben die Plastizierungen auf einen schmalen Bereich beschränkt. Unmittelbar neben der Schweißnaht ist eine Messung mit DMS außerhalb der WEZ möglich, da die volle Festigkeit des Grundmaterials vorhanden ist und ein linear-elastisches Materialverhalten vorliegt.

Die Größe der WEZ beeinflusst die Steifigkeit und damit die Verformung der MIG-geschweißten Proben unter äußerer Beanspruchung maßgeblich. In Abhängigkeit von der Bauteilgeometrie ist es deshalb für die Berechnung der Verformungen erforderlich, die Materialeigenschaften in der WEZ wirklichkeitsnah zu berücksichtigen.

Zusammenfassung

In dieser Arbeit wurde zum Beispiel nachgewiesen, dass linear-elastische Strukturspannungen beziehungsweise die daraus abgeleiteten Hot-Spot-Spannungen am schwingbruchkritischen Ort nicht die Realität wiederspiegeln. Die linear-elastisch berechneten Strukturspannungen haben deshalb den Charakter von verbesserten Nennspannungen in der Nähe bzw. am Ort eines potentiellen Ermüdungsrisses. Sie sollten als eine fiktive aber reproduzierbar zu ermittelnde Kenngröße betrachtet werden, mit der die Lebensdauer eines Kerbdetails zuverlässig klassiert werden kann. Eine reproduzierbare linear-elastische Spannungsberechnung ist aber nur unter der Beachtung von Modellierrichtlinien und Konvergenzkriterien für den Einsatz der FEM möglich. Die Lebensdauer eines Kerbdetails muss in statistisch abgesicherten Bauteilversuchen bestimmt werden. Eine Übertragbarkeit auf andere Kerbdetails ist nicht begründet.

Um eine sichere Bemessung der Bauteillebensdauer auf der Basis der europäischen Normung prEN 1999-1-3 (2005) zu gewährleisten, sollte die Hot-Spot-Methode nur mit Vorbehalt eingesetzt werden. Der Nachweis des Einflusses von linear-elastischen Strukturspannungen auf die Lebensdauer von geschweißten Aluminiumbauteilen ist bis dato nicht zuverlässig experimentell nachgewiesen. Die geometriebedingten Vorteile für den Lebensdauernachweis auf der Basis von Hot-Spot-Spannungen, wie sie im Kapitel 4 beschrieben wurden, sollten nicht ausgeschöpft werden, solange keine experimentelle Bestätigung dafür vorliegt.

Kurz & prägnant:
- Die Ergebnisse aus den Schwingversuchen belegen, dass MIG- und Laser-geschweißten Proben im Kurzzeitbetrieb zwischen 0,1 bis 0,2 Mio. Lastzyklen annähernd gleichen Beanspruchungen standhalten,
- im Gegensatz zu lasergechweißten Proben die MIG-geschweißten Proben etwa die doppelte Nennspannungsdifferenz dauerfest ertragen.
- Die Schweißeigenspannungen erreichen die Fließgrenze in der WEZ, somit führt jede weitere äussere Belastung zu einer Spannungsumlagerung auf die andbereiche (Plastizierung)
- Übertragbarkeit der Lebensdauerinformationen einer Wöhlerkurve basierend auf Nennspannungen auf andere Kerbdetails ist nicht zuverlässig möglich
- Nennspannungen nur für einfache, stabförmige Strukturen anwendbar
- Strukturspannungen mit linear-elastischen Ansätzen ist nicht zulässig (Plastizierungen auf Grund von Eigenspannungen und Kerbwirkung) - Hot-Spot-Methode nur unter Vorbehalt einzusetzen

Ausblick

Die Leistungsfähigkeit der heutigen FEM-Programme eröffnet neue Möglichkeiten, komplexe Aufgabenstellungen zu untersuchen, wie der Autor der vorliegenden Arbeit feststellt. Für einfache Bauteilstrukturen können die Eigenspannungen und die Bauteilverzüge, die sich aus einem Schweißvorgang ergeben, numerisch abgeschätzt werden. Die vorgestellten Methoden basieren auf temperaturabhängigen Spannungs-Dehnungs-Kurven, die sich relativ kostengünstig in Warmzugversuchen ermitteln lassen. Wie die Untersuchungen in dieser Arbeit bestätigen, ist für eine Aluminiumlegierung der Gruppe AIMgSi die Korrelation zwischen der Simulation und dem Experiment sehr gut. Die Kenntnis des Eigenspannungszustandes ist notwendig, um einen realistischeren Spannungszustand im Bauteil berechnen zu können.

Einschränkend muss erwähnt werden, dass diese detaillierten Modellier- und Berechnungsverfahren nicht dazu beitragen, die Lebensdauer geschweißter Aluminium-Bauteile unter zyklischen Beanspruchungen besser zu prognostizieren. Die Vielzahl der Einflussfaktoren auf die Bauteilermüdung kann nicht numerisch erfasst werden. Jedoch ist es möglich, bestimmte Tendenzen aufzuzeigen und Versagensphänomene besser zu verstehen. Für den Nachweis der Bauteillebensdauer dürfen Wöhlerkurven verwendet werden, die nicht auf Nennspannungen sondern auf linear-elastisch berechnete Strukturspannungen bezogen sind. Diese Vorgehensweise bleibt auf konkrete Kerbdetails beschränkt. Die Strukturspannung bzw. die Hot-Spot-Spannung am schwingbruchkritischen Ort werden wie im Kapitel 4 gezeigt von der Bauteilgeometrie beeinflusst. Die Übertragbarkeit der Lebensdauerinformation einer Wöhlerkurve auf ein ähnliches Kerbdetail mit abweichenden Geometrieverhältnissen ist auf der Basis linear-elastisch berechneter Spannungen nicht begründet und müsste in statistisch abgesicherten Bauteilversuchen bestätigt werden.

Erhältlich bei

Amazon