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Literatur : [ Stahl/Werkstoffe allg. | Guß (Alu/Stahl) | Korrosion/Beschichtung | Konstruktion ]

Schäden an Tragwerken aus Stahl


Peter Oehme, Werner Vogt: Schäden an Tragwerken aus Stahl, Reihe "Schadensfreies Bauen"; herausgegeben von Günter Zimmermann und Ralf Ruhnau, Band 30, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2003

Lehrbücher wie dieses über Baukonstruktion eignen sich gut fürs Hochschulstudium. Sie dienen dem Planer aber auch quasi als Hinweistafel, vergleichbar den Warnschildern im Straßenverkehr: Sie warnen vor gefährlichen Stellen. In diesem Sinne stellt die Fachbuchreihe "Schadenfreies Bauen" in zahlreichen Einzelbänden wie dem hier vorliegenden das gesamte Gebiet der Bauschäden dar. Erfahrene Bausachverständige beschreiben die häufigsten Bauschäden und den Stand der Technik bestimmter Konstruktionsteile oder Problemstellungen, mit dem Ziel des schadensfreien Bauens.

Interessant: die Geschichte des Bauens

Interessant ist die Geschichte des Bauens, ausgehend von der Steinzeit bis heute. Zunächst ging es im Bau um den primitiver Wohnstätten, in der Antike dann um den bereits gewaltiger Hochbauten, Paläste, Tempel, Pyramiden,Türme und Viadukte. Aus dem Mittelalter existieren heute noch die großen Kathedralen und Kirchen. Deren gotische Gewölbesysteme erforderten ein hohes technisches Können und Verständnis der Baumeister. Auch kühne Brückenbauten aus dem Mittelalter sind bekannt, deren größte mit einem einzigen Bogen von 72 Metern bei etwa 21 Metern Pfeilhöhe die Adda bei Trezzo in Oberitalien überspannte. Innerhalb einer so großen Zeitspanne ergeben sich Unterschiede in der Verfahrensweise und im Umgang mit dem Bau und vor allem den schadenfreien Bauen. Der grundsätzliche Unterschied zwischen der Errichtung der Bauten in der Vergangenheit und in unserer Zeit liegt in der technischen Behandlung. Historisch gesehen wurden Bauwerke auf Grundlage von Erfahrung und Gefühl errichtet; Weiterentwicklungen waren nur durch den Mut des jeweiligen Baumeisters und nach dem Prinzip "try and error" möglich. Zudem spielte bei den monolithischen Bauwerken vor dem 19. Jahrhundert die Eigenlast die dominierende Rolle, Einstürze traten hauptsächlich während des Baus auf. In diesen Fällen wurde das Bauwerk mit größeren Abmessungen der Bauteile neu errichtet. Stand das Bauwerk erst einmal, traten spätere Schadensfälle nur noch selten auf, denn Nutzlasten, Wind und Schnee hatten gegenüber den Eigenlasten meist einen untergeordneten Einfluss. Auch bei den stabförmigen Baugliedern aus Holz, zum Beispiel bei Brückenbauten, beschritt man zunächst den Weg, die Abmessungen entsprechend der gesammelten Erfahrungen schrittweise zu erhöhen. Hier spielten die Nutzlasten schon eine entscheidende Rolle. Baumeister des 18. Jahrhunderts teilten ihre Erfahrungen, teils aus Versuchen gewonnen, ihren Fachkollegen bereits in Büchern mit. Auch die ersten gusseisernen Konstruktionen wurden praktisch ohne jegliche Berechnung in unserem heutigen Sinn errichtet. Das gilt insbesondere auch für die erste gusseiserne Brücke der Welt über den Severn bei Coalbrookdale in England, die 1777/1778 erbaut wurde und eine Masse von 400 Tonnen sowie eine Spannweite von 31 Metern hat. Die seinerzeit für den Eisenbahnverkehr errichtete Brücke dient heute noch als Fußgängerbrücke. Die Errichtung der Severnbrücke setzt man mit dem Beginn der Stahlbauweise gleich.

Alles eine Sache der Planung und Konstruktion

Gerade seit Beginn des Industriezeitalters werden Bauwerke ingenieurmäßig berechnet und eigentlich in unserem Sinne bereits "geplant". Technische Neuerungen und Weiterentwicklungen erfolgten theoretisch und auf Grundlage der Forschung. Der Übergang von der handwerklich empirischen Bemessung zur ingenieurtechnischen statischen Berechnung erfolgte durch das Wirken von Navier zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der 1826 die erste geschlossene Darstellung der Baumechanik herausgab. Die Entwicklung seither ist gewaltig und kann auch nicht annähernd dargestellt werden. Meilensteine für den Stahlbau waren hier sicher der Eiffelturm, Hochhäuser wie der Sears Tower in Chicago, moderne Großbrücken wie die Brücke über dem Großen Belt oder neuartige Bauweisen wie die Seilnetzkonstruktion des Dachs des Olympiastadions in München, um nur wenige und einige Beispiele damit zu nennen. Die visionären Projekte der Brücken in Messina mit einer Spannweite von 3 300 Metern oder in Gibraltar mit 2 mal 5000 Metern lassen die Weiterentwicklung ahnen.

Beispiele von Schadensfällen

Die Entwicklung im Stahlbau war neben kühnen Neuerungen auch immer von schweren Rückschlägen - oft in Form von Einstürzen ganzer Bauwerke - gezeichnet, die - so tragisch sie im Einzelfall auch gewesen sind - in den meisten Fällen aber zu neuen technischen Lösungen, neuen Berechnungsmethoden oder aber zu neuen Sicherheitsstandards führten. Solche Schadensfälle schildert Kapitel 3 "Schadensfälle" mit Beispielen wie der Eisenbahnbrücke über dem Firth of Tay, der Norddeich-Funktürme, der Tacoma-Narrows-Brücke, dem Fernsehturm "Hoher Bogen" oder dem Sendemast Teutoburger Wald. Von den genannten Beispielen war gerade das Beispiel der Tacoma-Narrows-Brücke in den USA und deren Einsturz ein sehr spektakulärer Fall. Nur vier Monate nach ihrer Übergabe zerstörte am 7. November 1940 ein mäßiger Sturm mit Windstärke sieben die Tacoma-Narrows-Brücke. Bei der Berechnung dieser Hängebrücke war der aerodynamische Effekt des Windes nicht richtig eingeschätzt worden. Sehr ungünstig wirkte sich dabei das sehr kleine Verhältnis von 1:72 der Brückenbreite zur Spannweite aus.

Anstoß zur Erforschung der aeroelastischen Stabilität von Hängebrücken

Die Brücke zeichnet sich noch dazu durch eine große Schlankheit aus. Eine Anregung durch seitliche Windanströmung führte zum Aufschaukeln und infolge Resonanz letztlich zum Einsturz. Gerade durch diesen Schadensfall wurde ein Anstoß zur Erforschung der aeroelastischen Stabilität von Hängebrücken gegeben. Auch beim Fernsehturm "Hoher Bogen" im Bayerischen Wald ereignete sich ein ähnlicher Schadensfall. Bei diesem Turm traten Querschwingungen, so genannte Karman'sche Querschwingungen, infolge harmonischer Fremderregung durch den Wind auf. Eine übliche Gegenmaßnahme - neben dem Einsatz von Dämpfern- ist der Anbau von aerodynamischen Störelementen auf der Oberfläche. Diese Möglichkeit wurde auch beim beschriebenen Fernsehturm durch den Anbau von Ringwülsten ausgeführt; die Maßnahme war jedoch unwirksam. Die Größe und Dauer der Schwingungen ließ die Vermutung zu, dass vom Turm eine Steuerung der Wirbelstraße ausgegangen sein muss, d.h. es gab eine Rückkopplung zwischen Anregung und Schwingung des Bauwerks. Um die Schwingungen zu reduzieren, wurde als weiteres aerodynamisches Störelement eine so genannte Scruton-Wendel angebracht. Weitere Maßnahmen wurden nicht ergriffen. Hierdurch wurden die Querschwingungen wirksam unterdrückt. Bei einem schweren Herbststurm brach überdies der Stahlschaft des Turmes ab.

Bei der Untersuchung der Schadensursache stellte sich heraus, dass es in der Fußkonstruktion des Schaftes schwere Ermüdungsschäden infolge der Querschwingungen gegeben hatte, die wegen Unzugänglichkeit nicht entdeckt worden waren. Darüber hinaus hatte sich durch den Anbau der Scruton-Wendel der aerodynamische Formbeiwert maßgeblich erhöht. Dies führt zu einer wesentlichen Erhöhung der statischen Windlast, die bei der Nachrüstung des Stahlturmes mit der Wendel nicht berücksichtigt worden war.

Zusammenfassung

Schadensfälle an Bauwerken können immer und überall auftreten. Schäden an Stahltragwerken - wie an Tragwerken aus jedem anderen Baustoff- können niemals ganz ausgeschlossen werden. Es gilt heute als anerkannte Tatsache, dass wegen des stochastischen Auftretens sowohl der Beanspruchungen, als auch der Beanspruchbarkeiten jedem Tragwerk eine gewisse - wenn auch verschwindend kleine - Versagenswahrscheinlichkeit innewohnt. Die Ursachen der Schäden wurden innerhalb dieser Arbeit als Zufallsereignisse deklariert, deren Anzahl äußerst gering ist und überdies gerade deswegen für ein akzeptables Sicherheitsniveau im Stahlbau spricht. Zu beachten ist bei der Reduzierung von Schadensfällen eindeutig der Faktor Mensch, der zum Beispiel seine Ursache in Pflichtverletzungen und menschlichem Versagen hat.

Insgesamt muss es Ziel sein, Schäden, die den "Faktor Mensch" zur Ursache haben, völlig auszuschließen.

Abschließende Maßnahmen und Ziele

Neben anderen wichtigen gehören folgende Maßnahmen zu diesem Ziel:

In der Aus- und Weiterbildung aller am Bau Beteiligten sind nicht nur die anerkannten Regeln der Bautechnik sicher zu vermitteln, sondern es ist immer wieder auf die große Verantwortung hinzuweisen, die dieser Personenkreis - an vorderster Stelle die Bauingenieure - trägt.

Bei der Vergabe von Aufträgen sollten, insbesondere bei komplizierten Bauvorhaben, nur solche Unternehmen oder Planungsbüros beauftragt werden, die über eine große Erfahrung verfügen. Aber auch bei der Erteilung von Einzelaufgaben innerhalb eines Projektes sollte immer wieder der Wissens- und Erfahrungsschatz des Einzelnen berücksichtigt werden. Von immenser Bedeutung sind indes Kontroll- und Überwachungssysteme zur Überwachung und Kontrolle aller Vorgänge innerhalb aller Verfahren und Projekte sowie eine ausreichende Dokumentation aller betrieblichen Vorgänge.

Abschließend wird nochmals betont, dass die durchgängig im Bürgerlichen Gesetzbuch, den Landesbauordnungen sowie in den einzelnen Fachnormen geforderte Fachkunde der im Bau tätigen Menschen sowie die erforderliche Sorgfalt bei der Planung, Ausführung und Nutzung von Bauwerken die Schäden verhindern kann. Diese Forderung darf nicht nur eine hohle Phrase sein, sie ist und bleibt wichtig, denn nur die gelebte Verantwortung der Ingenieure ist in der Lage, Schäden im Bauwesen zu minimieren.

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