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Literatur : [ Schweiß-/Fügetechnik | Guß (Alu/Stahl) | Bearbeitung/Umformung | Fertigung/ Prozesse ]

Potenziale des Hochleistungsschweißprozesses MSG-Flachdraht bei der Verarbeitung von höherfesten Feinkornbaustählen


Markus Holthaus: Potenziale des Hochleistungsschweißprozesses MSG-Flachdraht bei der Verarbeitung von höherfesten Feinkornbaustählen, Shaker Verlag, Aachen 2011

Der Einsatz von Flachdrahtelektroden ist heute in vielen Bereichen der industriellen Anwendung in der Erprobungsphase. Die im Vergleich zu früheren Arbeiten zu erwartenden Verbesserungen bei der Herstellung der Schweißzusatzwerkstoffe sowie die Entwicklung der aktuellen Stromquellentechniken und Brennerkonzeptionen bieten vielen Unternehmen die Möglichkeit, den Metall-Schutzgasschweißprozess (MSG) mit Flachdrahtelektroden im automatisierten Produktionsprozess einzusetzen.

Die bisherigen MSG-Hochleistungsschweißprozesse in Ein- und Mehrdrahttechnik haben sich in den vergangenen Jahren auf dem Markt etabliert und bieten der Industrie die Möglichkeit, ihre Schweißzeiten und damit auch ihre Fertigungskosten zu reduzieren und somit die Stellung im Markt zu festigen. Allerdings neigen beide Varianten unter gewissen Voraussetzungen zu Prozessinstabilitäten, die sich unter anderem in einem Schneideffekt (Eindraht) bzw. möglichen Drahtförderstörungen (Mehrdraht) zeigen können. Eine Anwendung der Mehrdrahttechnik von Hand (teilmechanisiert) ist aufgrund von Handhabungsproblemen (Gewicht) nicht möglich. Weiterhin können sich im Bereich des vollmechanisierten Schweißprozesses für die Flachdrahtelektrode im Vergleich zur Doppeldrahtvariante Vorteile durch eine vereinfachte Positionierung der Drahtelektrode beim Schweißen kleinerer Konturen ergeben. So ist die Breite der Flachdrahtelektrode mit ca. 4 Millimetern kleiner als der Abstand zwischen den beiden Drahtelektroden und ermöglicht damit eine richtungsunabhängigere Positionierung.

Entscheidende Vorteile ergeben sich durch den Vergleich der Verfahren

Beim Vergleich der Prozesse kann der Einsatz von Flachdrahtelektroden ähnlich den Bandelektroden beim Unterpulverschweißen (UP) entscheidende Vorteile bringen. Untersuchungen aus dem Energieanlagenbau zeigten, dass der Einsatz der UP-Bandelektrode beim Schweißen von Kehlnähten im Nahtdickenbereich von 5 bis 14 Millimetern gegenüber dem UP-Doppeldrahtverfahren eine Leistungssteigerung bis zu 85 Prozent und gegenüber dem UP-Eindrahtschweißen eine Verbesserung um das Zwei- bis Vierfache erbrachte.

Neben diesen Vorteilen gibt vor allem das innerhalb dieser Arbeit untersuchte, veränderte Abkühlverhalten beim MSG-Schweißen mit der Flachdrahtelektrode entscheidende Hinweise, um die Potenziale dieser Variante bei der Verarbeitung der höherfesten Feinkornbaustähle näher zu untersuchen und im Rahmen bestehender Bewertungskonzepte für diese Anwendungen zu validieren.

Problemstellung und Zielsetzung

Die Idee, die vom Unterpulverschweißprozess (UP) bekannten Vorteile auch bei den Metall-Schutzgasschweißprozessen (MSG) einzusetzen, ist in vorherigen Arbeiten immer wieder mit unterschiedlicher Intensität untersucht worden und damit nicht grundsätzlich neu. In der Regel handelte es sich dabei um breitere Drahtelektroden, die das vom UP-Bandschweißen bekannte Lichtbogenpendeln entlang der Bandkante ermöglichten.

Aufgrund der neueren Stromquellenentwicklungen und neuer Herstellverfahren für die Bandelektroden hat es in neuerer Zeit mehrere Arbeiten zum MSG-Schweißen mit schmaleren Bandelektroden, d.h. Flachdrahtelektroden, gegeben. So sind die Arbeiten zum Auftragschweißen an Stahlwerkstoffen, als auch eine Arbeit zum Verbindungsschweißen an Aluminiumwerkstoffen bekannt. Alle Arbeiten konnten dabei wertvolle Hinweise für eine zukünftig ausreichende Prozesssicherheit liefern.

Das Abkühlverhalten hat einen entscheidenden Einfluss auf die mechanisch-technologischen Eigenschaften der Schweißverbindung

Die in den genannten Untersuchungen erzielten Ergebnisse lassen ein grundsätzlich anderes Abkühlverhalten im Vergleich zu den konventionellen Runddrahtelektroden erwarten. Eigene Untersuchungen innerhalb der vorliegenden Arbeit an Kehlnähten aus Werkstoff S235 zeigen unterschiedliche Temperatur-Zeit-Verläufe und bestätigen damit die Annahmen variierender t 8/5-Zeiten.

Gerade bei den höherfesten Feinkornbaustählen hat das Abkühlverhalten einen entscheidenden Einfluss auf die mechanisch-technologischen Eigenschaften der Schweißverbindung, wie zum Beispiel die Härte und die Zähigkeit, so dass bei dieser Werkstoffgruppe entscheidende Vorteile bei der Anwendung erwartet werden.

Ziel dieser Arbeit

Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Potenziale des Hochleistungsschweißprozesses "MSG-Flachdraht" bei der Verarbeitung der höherfesten Feinkornbaustähle zu erarbeiten und im Hinblick auf veränderte Eigenschaften in der Schweißverbindung durch die mechanisch-technologischen Kennwerte zu belegen. Die besonders für den Bereich der höherfesten Feinkornbaustähle wichtigen Abkühlcharakteristiken werden mit Hilfe von t 8/5-Zeiten spezifiziert und im möglichen Rahmen dieser Arbeit auf die Einordnung in bestehende t 8/5-Konzepte überprüft. Die Arbeit zeigt im ersten Teil die notwendige Prozessstabilität für diesen Einsatzbereich auf.

Die Themen "Produktionsverfahren", "Werkstoffe" und "Qualitätssicherung" ergänzen sich

In diesem Zusammenhang werden die Lichtbogenverhältnisse unter verschiedenen Randbedingungen, wie zum Beispiel des Schutzgaseinflusses, Aufschlüsse über die Einsatzmöglichkeiten und Weiterentwicklungsmöglichkeiten des Prozesses im Hinblick auf Nahtqualität und optimierter Prozesssicherheit geben. Neben der Beurteilung des Lichtbogenverhaltens werden vor allem mögliche Abschmelzleistungen und erreichbare Spaltüberbrückbarkeit bei ausreichender Nahtqualität und Prozessstabilität erarbeitet. Die Arbeit beinhaltet darüber hinaus insbesondere die Themengebiete "Produktionsverfahren", "Werkstoffe" und "Qualitätssicherung", gebündelt und auf das Verbindungsschweißen der höherfesten Feinkornbaustähle projiziert.

Ergebnisse zur wirtschaftlichen Umsetzung

Mittels der vorliegenden Arbeit wurde ein weiterer Schritt dahingehend erzielt, den Einsatz der Flachdrahtelektroden in der Praxis erfolgreich und speziell für die Verarbeitung der höherfesten Feinkornbaustähle wirtschaftlich umzusetzen. Die zum Flachdrahtschweißen genutzte Anlagentechnik unterscheidet sich im Vergleich zu modernen konventionellen MSG-Schweißanlagen im Wesentlichen nur im Drahtvorschubaggregat und dessen Peripherie. Somit besteht die Möglichkeit, bestehende Anlagen in der Industrie ohne größeren Aufwand kostengünstig auf die Flachdrahttechnologie umzurüsten. Für die notwendige Anpassung der Stromquellenkennlinie kann die vorliegende Arbeit ebenfalls als Basis dienen.

Im Vergleich zur Zweidrahttechnologie ist mit niedrigeren Investitionskosten sowohl in der Brenneranschaffung, als auch in der Brennerführung zu rechnen. Das geringere Gewicht des Flachdrahtbrenners ermöglicht im automatisierten Produktionsprozess den Einsatz von Schweißrobotern mit reduzierter Tragfähigkeit am Handgelenk im Vergleich zum Tandem- oder Doppeldrahtbrenner. Unter Umständen ist aufgrund des geringen Gewichtes auch der teilmechanische Einsatz (Brennerführung von Hand) des Flachdrahtbrenners möglich. Erste Untersuchungen gehen bereits in diese Richtung.

Verfahrenstechnische Vorteile

Solche genannten Vorteile bieten sich vor allem durch die Realisierung höherer Schweißgeschwindigkeiten im Vergleich zur konventionellen Runddrahttechnologie. So wurden an Kehlnähten in PA-Position mit längs angestellter Flachdrahtelektrode Schweißgeschwindigkeiten von 1,65 m/min (Betriebsart Standard) bzw. 1,40 m/min in der Betriebsart Impuls bei vergleichbarem a-Maß und entsprechender Schweißnahtqualität erreicht. Unter gleichen Randbedingungen erfolgten vergleichende Versuche mit einem querschnittsgleichen Runddraht (D=1,6 mm). In PA-Position konnten hier maximale Schweißgeschwindigkeiten von 0,9 m/min (Betriebsart Standard) bzw. 0,7 m/min (Betriebsart Impuls) erreicht werden. Somit zeigen sich unter diesen Randbedingungen für den Flachdraht Geschwindigkeitsvorteile von ca. 80 bis 100 Prozent in PA-Position (a-Maße jeweils 3-4 mm).

Die Versuchsreihen an dickeren Blechen der Blechstärke t=25 mm zeigen, dass mit der Flachdrahtelektrode ohne Probleme auch Abschmelzleistungen von ca. 14 kg/h bei guter Schweißnahtqualität möglich sind, so dass dieser Prozess auf jeden Fall den Hochleistungsschweißverfahren zuzuordnen ist.

Vorteile der Flachdrahtelektrode

Bereits während des Untersuchungsverlaufs wurden die Einsatzmöglichkeiten der Flachdrahtelektrode erörtert und die Randbedingungen an die Anforderungen der industriellen Praxis angepasst. So war zum Beispiel bei der Großrohrherstellung für die Wurzelschweißungen die maximale Schweißgeschwindigkeit bei varrierender Spaltüberbrückbarkeit interessant. Die an größeren Probenlängen durchgeführten Versuchsreihen zeigen hier ein sehr gutes Ergebnis für einen Stegabstand bis 2 Milimeter bei einer Schweißgeschwindigkeit von 1,60 m/min.

Flachdrahttechnologie hat einen direkten Einfluss auf die Reduzierung der Fertigungszeiten

Nach energetischen Gesichtspunkten lassen sich mit der Flachdrahtelektrode bei gleicher Abkühlungsgeschwindigkeit (t 8/5-Zeit) höhere Abschmelzleistungen bzw. gleiche Abschmelzleistungen bei geringerer t 8/5-Zeit im Vergleich zum Runddraht erzielen. Dies wird unter gewissen Randbedingungen zu einer Reduzierung der notwendigen Lagenanzahl beim Schweißen von Kehlnähten führen. In einigen Anwendungsfällen sind zum Beispiel bei Blechdicken von 6 Millimetern mit dem Runddraht mehrere Lagen notwendig, um das zulässige t 8/5-Zeitenfenster nicht zu überschreiten.

Damit wird die Flachdrahttechnologie auch einen direkten Einfluss auf die Reduzierung der Fertigungszeiten und damit auf die Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses nehmen.

Ausblick

Die hier vorgestellten Ergebnisse und Erkenntnisse innerhalb dieser Arbeit zeigen klar die Vorteile des Hochleistungsprozesses "MSG-Flachdraht" im Hinblick auf die höheren Abkühlgeschwindigkeiten (geringere t 8/5-Zeiten) im Vergleich zum Runddraht auf. Damit bieten sich zukünftig neue Potenziale bei der schweißtechnischen Verarbeitung der höherfesten Feinkornbaustähle. Allerdings ist die Verwendung der Flachdrahtelektroden auch an eine Anpassung der Randbedingungen gebunden. Der Einfluss einer modifizierten Schutzgaszufuhr und der damit verbundenen Verhinderung der Luft-Stickstoffaufnahme des Schweißgutes hat einen eindeutigen Einfluss auf die Zähigkeit der Schweißverbindung. Hier muss der speziellen Form des Flachdrahtquerschnittes Rechnung getragen werden und die Peripherie entsprechend optimiert werden. Diese Erkenntnis gibt Anlass dafür, anschließende Untersuchungen durchzuführen, die die Schutzgaszufuhr weiter optimieren, durchzuführen sowie die oben genanten Aussagen in anschließenden Arbeiten mit begleitender Prüfung der mechanisch-technologischen Eigenschaften zu untermauern.

Weiterhin werden die in dieser Arbeit untersuchten, geänderten Abkühlbedingungen beim Einsatz der Flachdrahtelektroden in nächster Zeit durch praktische Ergebnisse zu differenzierten Wirkungsgradangaben aus weiteren Untersuchungen ergänzt, so dass das Verständnis für die veränderten Abkühlcharakteristiken des MSG-Flachdrahtprozesses weiter wachsen wird.

Optimale Bedingungen für die Einführung des MSG-Flachdrahtprozesses für die schweißtechnische Verarbeitung

Im Hinblick auf die Prozesssicherheit verlief der MSG-Flachdrahtprozess nach anfänglichen Problemen in Abstimmung von Draht-und Stromkontaktdüsentoleranzen im weiteren Verlauf dieser Arbeit ohne größere Störungen bzw. außergewöhnlichen Verschleiß stabil. Da es sich bei den Füll- und Massivflachdrähten jeweils um Anfertigungen in geringer Losgröße handelte, wurden immer wieder Ungleichmäßigkeiten in der Aufspulung der Drähte festgestellt, die zu entsprechenden Drahtförderstörungen führen konnten. In der späteren Serienanfertigung wird das Aufspulverhalten als unkritisch betrachtet. Nach Angleichen der Toleranzen von Draht- und Stromkontaktdüsen sowie einer Verbesserung der Oberflächenqualität der zuletzt in dieser Arbeit untersuchten Flachdrahtqualitäten steht nach aktuellem Stand auch unter diesen Gesichtspunkten einer Einführung des MSG-Flachdrahtprozesses für die schweißtechnische Verarbeitung der höherfesten Feinkornbaustähle nichts mehr im Wege.

Erhältlich bei

Shaker-Verlag Amazon
www.shaker.de